Stalingrad

Nach einer durch Benzinmangel erzwungenen Kampfpause trat die 6. Armee Ende Juli 1942 wieder zum Marsch ins Verderben, nach Stalingrad, an. Anmerkung: Es wurde oft angenommen, die deutsche Wehrmacht sei vollmotorisiert, dass entsprach aber keineswegs den Tatsachen. Allein die 6. Armee hatte 250.000 Pferde für den Transport von Gerät und Nachschub eingesetzt.
Die Kampfpause war von den Russen dazu genutzt worden, den Don-Übergang auf dem Weg nach Stalingrad, Kalatsch, zu sichern: Die 62. sowjetische Armee lag nun im Donbogen vor Kalatsch bereit um den deutschen den Übergang zu verwehren.
Dieser Riegel musste durchstoßen werden um nach Stalingrad zu gelangen. Der Oberbefehlshaber der 6. Armee General Paulus, versucht es mit einem klassischen Umfassungsangriff nach folgenden Muster: Das XIV. Panzerkorps links herum, XXIV. Panzerkorps (Leihgabe von Hoths 4. Panzerarmee) rechts herum, weit ausholen, nach innen drehen, Treffpunkt Kalatsch.
Hier bei Kalatsch gelingt den deutschen die letzte erfolgreiche Kesselschlacht. Aber auch hier nur aufgrund unsinniger Haltbefehle auf russischer Seite. Im Eifer des Gefechts bemerkt Generalmajor Kolpaktschi, Oberbefehlshaber der 62. Armee, die Umklammerung erst, als die 16. Panzerdivision vom XIV. Korps und die 24. Panzerdivision vom XXIV. Korps bereits hinter ihnen steht.
Sofort wirft er alle verfügbaren Kräfte gegen den nördlichen Zangenarm, doch es kann nicht verhindert werden, dass am 8. August die 16. und die 24. Panzerdivision bei Kalatsch zusammentreffen.
Im Kessel sind sieben Schützendivisionen, zwei motorisierte und zwei Panzerbrigaden, 1.000 Panzer und 750 Geschütze, die erbeutet oder vernichten werden. Es dauert aber fast 14 Tage bis der Kessel aufgerieben ist, die Zahl der Gefangenen ist dagegen gering, da sich nicht allzu viele Russen ergeben und somit vorwiegend getötet werden.
Nun war der Weg frei zum direkten Angriff auf Stalingrad, dass von Kalatsch nur noch 60 Kilometer entfernt liegt.
Zuerst sollte im Norden angegriffen werden, Stalingrad sollte so von dort abgeriegelt werden, und dann im Süden angegriffen werden. Die 16. Panzerdivision unter General Hube bildet die Spitze dieses Angriffs.
Ohne sich um die Russen rechts und links der Division zu kümmern, prescht die Division über den Tatarengraben hinweg bis in die nördlichen Vorstädte von Stalingrad hinein. Die Stadt brennt an vielen Stellen von den laufenden Angriffen der deutschen Luftwaffe. Weiter rollen die Panzer, gegen Abend schieben sich die ersten, nicht weit vom nördlichen Stadtrand, auf das Hochufer der Wolga, die hier fast hundert Meter tiefer liegt. Die 16. Panzerdivision igelt sich nahe dem Ufer ein, da die Verbindungen zu den Infanteriedivisionen verloren gegangen sind.
Trümmerlandschaft            Straßenkampf
Das beunruhigte die Männer der 16. Panzerdivision jedoch nicht, es herrschte Siegeszuversicht. Ein schneller Erfolg schien nahe.
Am nächsten Morgen jedoch merkten die Panzermänner das diese Hoffnung trog, an diesem Morgen traten sie zu dem Angriff auf Spartakowka, den nördlichsten Industrie-Vorort der Stadt, an. Die Russen waren keineswegs überrascht sondern sehr entschlossen.
Die Vorstadt war fast zu einer Festung ausgebaut, gegen das heftige Abwehrfeuer war nicht anzukommen. Die Russen nutzten die ersten Misserfolge der Deutschen und griffen ihrerseits an, mit nagelneuen Panzer vom Typ T-34, zum Teil waren diese nicht mal angestrichen da sie direkt aus der Fabrik hier in Stalingrad kamen. An diesem 24.08.1942 gelang nur der Handstreich auf die Anlegestelle der Eisenbahnfähre und an das daran grenzende Ufer. Sofort wurde dort Artillerie in Stellung gebracht, und damit war der Strom für die russische Schifffahrt nicht mehr zu befahren.
Die Lage der 16. PD wurde immer kritischer. Von allen Seiten drängten die Russen nun. Die nachfolgenden Infanteriedivisionen mussten so schnell wie möglich die abgeschnittene Panzerdivision erreichen.
Die 3. Infanteriedivision (3. ID) drängte südostwärts um die 16. PD zu erreichen. Dahinter aber rollte eine Division die hier ganz bestimmt nicht vorgesehen war heran, die 35. sowjetische Schützendivision, mit Panzern verstärkt. Damit war auch die 3. ID abgeschnitten, die trotzdem die 16. PD erreichte. Beide verteidigten nun eine "Igelstellung" von 30 Kilometer Länge! Erst am 30. August gelang es dem II. Armeekorps und der 60. ID die beiden eingeschlossenen Divisionen zu erreichen. Nun war der Norden abgeriegelt und der Hauptangriff konnte in der Mitte und im Süden beginnen.
Der Angriff wird vom LI. Armeekorps unter General von Seydlitz mit zwei Divisionen frontal ausgeführt, vom Süden her greift die 4. Panzerarmee unter Generaloberst Hoth an. Doch der Angriff bleibt am sogenannten "inneren Verteidigungsgürtel" hängen, der sich in 30 bis 50 Kilometern Entfernung um die Stadt zieht. Generaloberst Hoth lässt im Süden den Angriff der 24. und 14. PD stoppen, die in sehr ungünstigen Panzergelände festhängen. Aber er sucht umgehend nach einer neuen Möglichkeit, den Russen beizukommen.
"Das hat keinen Zweck, Fangohr!" entscheidet der Generaloberst, "wir müssen es anders machen. Passen Sie mal auf, wir könnten doch..." Er zeigt Oberst i.G. Fangohr, seinem Ia, die Überlegungen, der diese sofort mit Zirkel und Rechenschieber nachprüft und auf der Karte einträgt um ein Bild der neuen Idee zu bekommen. Man kommt zu dem Schluss, dass diese Operation zwar viel Sprit kostet, aber machbar ist. Hoth telefoniert sofort mit dem Heeresgruppenchef Weichs, und bekommt nach einer halbe Stunde grünes Licht für diese Operation: Mitten in der Schlacht nimmt er seine Panzer- und motorisierten Divisionen aus dem Kampf und schickt sie - in Nachtmärschen, damit der Gegner nichts merkt - in einem halbkreisförmigen Bogen hinter den davor stehenden Verbänden herum und führt sie gegen die Flanke der 64. sowjetischen Armee bei Gawrilowka, südwestlich von Stalingrad.
Als erstes merken die Infanteristen vom LI. Armeekorps das sich da etwas tut, weil auf einem mal der bis dahin unüberwindliche Widerstand nachlässt, und schließlich ganz aufhört. Die Russen ziehen sich zurück, sofort stößt Seydlitz mit seinen Divisionen nach und erreicht nach zwei Tagen den Stalingrader Flughafen Gumrak, nur noch acht Kilometer vom Stadtrand entfernt.
Der Grund dieses Rückzuges liegt in der genialen Operation des Generalobersten Hoth, der den Russen unversehens im Genick sitzt. Nach der riskanten Umgruppierung trifft er die Russen völlig überraschend bei Gawrilowka, und durchbricht hier den inneren Verteidigungsgürtel. Die Situation weiter ausnutzend stößt er zügig auf Woroponowo vor. Marschall Schukow Befehlshaber der nördlichen Truppen bei Stalingrad erhielt ein Telegramm von Stalin.
Auf Seiten der Russen entscheiden Jeremenko, Tschuikow und Chruschtschow die Truppen auf den Stadtrand zurückzunehmen. Wenn die Russen auch nur einen Tag gezögert hätten, wären die beiden Armeen am 3. September 1942 eingekesselt gewesen. Denn 36 Sunden später erreichen Hoths Spitzen das Armeekorps Seydlitz.

Nun folgten die blutigsten und härtesten Kämpfe die es bis dahin in diesem Krieg gab. Auf engsten Raum wurden Menschen und Material von beiden Seiten eingesetzt. Die Generalstabspläne wurden durch Stadtpläne ersetzt, ganze Divisionen kämpften um einzelne Häuserblocks.
Major Rolf Grams, damals Kommandeur des Kradschützenbataillons 64 schreibt: "es war ein unheimlicher Kampf auf und unter der Erde." In den Trümmern, Kellern, Kanälen der großen Stadt und der Industriewerke. Mann gegen Mann. Panzer kletterten über Berge von Schutt und Schrott, schoben sich kreischend durch zerstörte Werkshallen und schossen aus nächster Distanz in die verschütteten Straßen und den engen Fabrikhöfen... und dann waren da noch die tiefen verwitterten Löß-Schluchten, die Steil zur Wolga abfielen und aus denen die Russen immer wieder neue Kräfte in den Kampf warfen. Hunderte von Booten brachten Nach für Nacht Nachschub und Verstärkung vom tiefer gelegenen Ostufer der Wolga in die Stadt.
Paul Carell schreibt darüber in seinem Buch "Unternehmen Barbarossa" dazu: "Dieser Nachschub, dieser ständig über den Fluss rollende Ersatz für die Verteidiger, war das Problem der Schlacht. Das Geheimnis lag in eben diesen Löß-Schluchten des Wolga-Ufers. In diesem Steilufer, das für die deutsche Artillerie unerreichbar war, saßen die Stäbe der Sowjets, waren die Lazarette untergebracht, die Munitionsdepots. Hier waren die Sammelplätze für die in der Nacht über den Fluss gebrachten Menschen und Materialtransporte. Hier waren die Ausfallstellungen für Gegenstöße. Hier mündeten die Abwasserkanäle der Industriewerke, jetzt leere lange Höhlenwege, die in den Rücken der deutsche Front führten. Sowjetische Stoßtrupps krochen hindurch. Hoben vorsichtig die Gullydeckel. Brachten MGs in Stellung. Dann prasselten die Feuerstöße in den Rücken vorgehender deutscher Verbände, knallten in die Essenträger und Nachschubkolonnen. Gullydeckel zu und zurück."
Obwohl Tschuikow immer neue Divisionen heranschaffen konnte, im Gegensatz zu Paulus, wurde Stalingrad nach und nach erobert. Nach zwei Monaten Kampf, Ende Oktober, verteidigten die Truppen Tschuikows nur noch ein paar Fabrikgebäude im Norden der Stadt, vielleicht noch gerade ein Zehntel der Stadt. Aber etwas das sich zum erobern lohnt, war nicht mehr da, die Stadt war ein einziges Trümmerfeld. Das frühere Schwerindustrie-Zentrum existierte nicht mehr. Der einzige Grund wofür man Stalingrad jetzt noch gebrauchen konnte, war nur noch die Sperrung der Wolga für die Schifffahrt, aber das hätte man an anderer Stelle mit weniger Opfern auf deutscher Seite auch haben können. Es ging nur noch um das Prestige Diktatoren Hitler und Stalin.
Hitler schien zwar zu spüren das dieser sinnlose Kampf um diese Ruinen beendet werden müsse, aber seine Reaktion war wieder einmal nur Ungeduld, er mahnte die Führung der 6. Armee endlich Schluss zu machen mit Stalingrad.
Die deutsche Aufklärung meldete jetzt, Anfang November, vermehrt die Bereitstellung großer russischer Truppenteile nordwestlich und südlich vor den Fronten der Rumänen.
Und am 19.11.1942 war es dann soweit die Russen überrollten im Nordwesten und Süden die rumänischen Truppen. Die 5. sowjetische Panzerarmee stürmte die Stellungen der Rumänen bei Blinow, die 21. Armee bei Kletskaja. Nachdem die russischen Panzer in den Rücken der Rumänen durchgebrochen waren brach Panik aus und die Front der deutschen Verbündeten war einmal...
Schon gegen Mittag war klar, dass sich hier eine Katastrophe anbahnt: Die weit nach Süden durchgebrochenen Russen schwenkten ostwärts - in den Rücken der 6. Armee.
Auch die 57. und die 51. sowjetische Armee greifen mit dem Ziel an die Deutschen einzukesseln, sie bilden die südliche Zange bei Krasnoarmeisk. Die zwei hier stationierten rumänischen Korps wehrten sich kaum und werden überrannt. Nur die deutsche 29. InfDiv. stemmt sich dagegen und hält die 57. Armee der Russen auf, aber die 51. sowjetische Armee bricht weiter südlich durch und rollt in Richtung Kalatsch.
Da keine Eingreifreserven auf Seiten der Deutschen vorhanden sind, ist es nun nicht mehr zu verhindern das die 6. Armee eingekesselt wird. Am 23. November treffen Nord- und Südzange der Russen zusammen. Die 6. Armee war nun im "Sack". Ungefähr 250.000 Mann steckten im Kessel. Paulus erbat daraufhin Handlungsfreiheit um gegebenenfalls auszubrechen, wollte aber erst mal die eroberten Positionen halten und abwarten ob die Versorgung aus der Luft klappt. Sollte die Versorgung nicht ausreichen, wollte er schnellstens in Richtung südwesten aus dem Kessel ausbrechen.
Hitler verweigert diese Handlungsfreiheit. Am nächsten Tag funkt Paulus an die Heeresgruppe: "Halte Durchschlagen nach Südwesten zur Zeit noch für möglich, wenn auch unter Verlusten von Material." Heeresgruppenchef Weichs fügt der Meldung noch hinzu: "Ausreichende Luftversorgung nicht möglich." Diese Meldung wird dann ans Oberkommando des Heeres weitergegeben.
Keine Anwort.

2. Teil: Der Untergang der 6. Armee




Homepage neu laden