Unternehmen Taifun

Am 13. November, der erste Frost hatte die Strassen fest gemacht, legte Generaloberst Halder die schon vorbereiteten Einsatz-Befehle für die "Herbstoffensive 1941"  auf den Tisch. Die Ziele waren,  für die Jahreszeit und den Zustand der Truppe, enorm weit gesteckt: Guderians Panzertruppe, inzwischen in Panzerarmee umbenannt, sollte über Tula nach Nischni-Nowgorod vorstossen und so Moskau von Süden umfassen; im Norden sollte die 9.Armee mit der 3.Panzerarmee (Reichenau) über den Wolga-Moskwa-Kanal ostwärts vordringen und hinter Moskau herum nach Süden schwenken, auf Guderians Spitzen zu. In der Mitte schliesslich sollten vier Armeen und die 4. Panzerarmee frontal angreifen. Man sieht, noch einmal war es das Ziel, einen riesigen Kessel zu bilden, mit über 300 Kilometern Durchmesser und Moskau mittendrin.Und das im Winter! 
Dennoch, der Angriff, der zwischen dem 15. und dem 19. November beginnt, läuft zunächst. Nicht im stürmischen Sommertempo, aber er kommt voran. Der Gegner ist zunächst überrascht, wirft dann blindlings den Angreifern entgegen, was er gerade hat. 
Dennoch: Gegen erbitterten Widerstand schoben sich die Divisionen und Regimenter der Heeresgruppe scheinbar unaufhaltsam immer näher an Stalins Metropole heran. In der Woche vom 23. bis 30. November wurde die sogenannte 2. Moskauer Schutzstellung, der letzte Riegel vor der Stadt auf der Linie Klin-Tula, an vielen Stellen durchbrochen und im Süden umgangen - dort konnte Guderians Panzerarmee zwar Tula nicht nehmen, aber nordwärts und ostwärts daran vorbeistossen. Am 23. November fiel Solnetschogorsk, 60 km vor Moskau, am 24. Rogatschewo, noch am gleichen Tag wurde der Moskwa-Wolga-Kanal erreicht, ein Brückenkopf am anderen Ufer gebildet. Am 25. fällt Petschki, am 26. Istra, am 27. Jachroma, am 30. Krasnaja Poljana. 
Etwas weiter südlich, am Mittag dieses Tages, rollt ein Erkundungstrupp des Panzerpionierbatallions 62 auf seinen Krädern über eine Strasse Richtung Moskau. Kein Widerstand. Weiter. Vor ihnen eine kleine Stadt. Keine Verteidiger zu sehen. Sie preschen hinein. Angstvoll suchen die Menschen Schutz in ihren Häusern. Die Panzerpioniere machen etwas Lärm, dann machen sie kehrt - ohne in diesem Augenblick zu ahnen, dass sie es waren, die dem Kreml am nächsten kamen, und das ihr Vorstoss einen Schreckensruf auslöste, der sich wie ein Lauffeuer in der Millionenstadt verbreitete: "Die Deutschen stehen vor Chimiki!" So hiess die kleine Hafenstadt, in die die Panzerpioniere eingedrungen waren, nur 8 km vom Stadtrand entfernt, knapp 20 km bis zum Kreml.
"Die Deutschen vor Chimiki!", dass hiess, sie waren praktisch schon da. Angst und Unruhe krochen durch die Stadt, bedrückend, aber nicht so laut wie vor 5 Wochen, als der erste Ansturm der Deutschen gegen Moskau brandete, Mohaisk gefallen war und Panikstimmung die Stadt erfasste. Damals war Moskau einem Kollaps nahe gewesen. Die hastige Evakuierung von Regierung, Behörden, Parteidienststellen hatte der Bevölkerung das Ende signalisiert. Läden und die Wohnungen Evakuierter waren geplündert worden, Flugblätter mit dem Aufruf "Nieder
mit dem Kommunisten!" tauchten auf.
 Aber nun sind die Kräfte der Wehrmacht am Ende, es geht nicht mehr weiter vor. Bis Ende November erreichen die Verluste der deutschen Wehrmacht seit Beginn des Feldzuges gegen die UdSSR 743.000 Mann, rund 24 Prozent der eingesetzten 3,8 Millionen Soldaten.
Am 1. Dezember 1941 erklärt Generalfeldmarschall v. Bock durch Fernschreiben, in dem er dem OKH die Lage schildert, dass eine Fortsetzung des Angriffs "ohne Sinn und Zweck" erscheine, zumal der Zeitpunkt sehr nahe rücke, in dem die Kraft der Truppe völlig erschöpft sei. Die Antwort von Generaloberst Halder: "...Man müsste versuchen, den Feind mit dem letzten Kraftaufgebot niederzuringen. Wenn entgültig klar ist, dass dies unmöglich ist, müssen neue Entschlüsse gefasst werden." Daraufhin wendet sich sich der verzweifelte v.Bock an Hitlers militärischen Sachberater, den Chef des Wehrmachtsführungsstabes im OKW, Generaloberst Jodl. Aber auch jetzt erteilt Hitler keinen Befehl zur Einstellung der Offensive.
Gegen Mittag des 2. Dezember übermittelt der Chef des A.O.K. der Heeresgruppe Mitte die Nachricht, dass alle Kräfte der 4. Armee bei Naro-Forminsk hinter den Nara-Abschnitt auf ihre Ausgangsstellungen zurückgenommen werden müssen. Zu gleicher Zeit meldet Generaloberst Hoepner an Generalfeldmarschall v. Kluge, dass die Angriffskraft seiner Panzergruppe 4 am Ende sei. Die Gründe: Körperliche und seelische Überanstrengung, nicht mehr tragbarer Ausfall an Führern, mangelhafte Winterbekleidung. Nur noch die Wiener 2. Panzerdivision des V. Armeekorps kann östlich der Rollbahn schrittweise an Boden gewinnen.Am Nachmittag befiehlt Generaloberst Hoepner konsequent - er tut es selbständig und zunächst ohne Billigung der Heeresgruppe - eine dreitägige Einstellung des Angriffs für den Bereich der Panzergruppe 4. Die über die Moskwa nach Südosten angetretenen 267. und 197. Infantriedivisionen werden auf das Nordufer der Moskwa zurückgenommen. Auch die 3. Panzer-
armee stellt jetzt ihren Angriff auf Moskau ein.
Am Mittwoch, dem 3. Dezember 1941, bricht auch die 2. Panzerarmee ihr Vordringen von Süden her ab. Nur Oberst Eberbach gelingt noch mit einer schwachen Spitze, die Unterbrechung von Strassen- und Bahnlinien zwischen Tula und Serpuchow. Guderian: "Damit war aber auch die Kraft der Truppe und der Betriebsstoff am Ende."
An diesem Tag fällt bei der Heeresgruppe Mitte die Entscheidung. Genaralfeldmarschall v. Bock lässt den linken Flügel, da die Verbände völlig erschöpft sind, anhalten, und zieht die Verbände des mittleren Abschnittes in ihre letzte Ausgangsstellung zurück.

Am Donnerstag, dem 4. Dezember 1941, greifen greifen im Morgengrauen die frischen, unverbrauchten Truppen der 20. Armee (GenMaj. Wlassow) Gorki an. Trotz des Einsatzes der sowjetischen Luftwaffe bricht deren Unternehmen 150 Meter vor den Linien der 2. Panzerdivision zusammen.
An diesem Tag muss die Heeresgruppe auf massives Drängen von Hitler, OKW und OKH den Angriff wiederaufnehmen, obwohl sich nicht nur das Auftreten einzelner sibirischer Brigaden, sondern auch das Erscheinen der ganzen sowjetischen Fernost-Armee bestätigt hat.
Die deutsche Führung rechnet zur Zeit nicht mit der Möglichkeit eines planmässigen Angriffs der Roten Armee mit operativen Zielen. Das OKH glaubt, auf beiden Seiten würden "die letzten Batallione" im Einsatz stehen.

Am 5. Dezember gehen die Truppen der Sowjets aber zur Gegenffensive über, und zwar die Kalininfront (GenOberst Konjew), beiderseits des Wolga-Staubeckens. Nach heftiger Feuervorbereitung mit den gefürchteten Salvengeschützen (Stalinorgeln) werden Durchbrüche in deutsche Stellungen erzielt. Die Truppen der Kalininfront,
darunter die 30. Armee im Abschnitt Wolga-Stausee und Dimitrow, sind nach Zuführung von Reserven um beinahe das Vierfache verstärkt.
Bereits in den frühen Morgenstunden des 5. Dezember entwickelt sich die Lage bei der 2. Panzerdivision (GenLt. Veiel) kritisch. Zunächst räumt die Kampfgruppe 1 (Oberst Rodt) befehlsgemäss das Dorf Katjuschki. Neue Stellungen am Südrand  von Putschki werden bezogen. Gegen Mittag übermittelt die Panzergruppe 4 dem Armeeoberkommando (AOK 4) die Lagebeurteilung vom 5. Dezember 1941:
"Nunmehr stehen der Front der Panzergruppe gegenüber: 17 Schützendivisionen, 2 Schützen-Brigaden, 4 Kavallerie-Divisionen und 12 Panzer-Brigaden. Die gegnerischen Kräfte sind zahlenmässig den eigenen stark überlegen. Erfrierungen nehmen im hohem Masse zu und zehren neben der Feindeinwirkung an den geringen Gefechtsstärken. Nach übereinstimmenden Urteil Ihrer Kommandierenden Generäle ist die Truppe zu Zeit nicht mehr angriffsfähig. Ich habe daher den Übergang zur Verteidigung in den erreichten Linien angeordnet."
Der Heeresgruppe Mitte wird klar, dass es sich um einen planmässigen sowjetischen Gegenschlag handelt, dessen Schwerpunkt zur Zeit bei der 3. Panzerarmee liegt. Das Ziel scheint Klin zu sein. Geht dieser Ort aber verloren, ist die Masse der 3. Panzerarmee abgeschnitten. Der Oberbefehlshaber der 3. Panzerarmee, General Reinhardt, stellt aus eigenem Entschluss den Angriff ein und beantragt gleichzeitig beim OKH die Rücknahme der Truppe in eine haltbare Winterstellung. Vor dem Frontabschnitt der 2. Panzerarmee, im Süden der Heeresgruppe Mitte, herrscht noch relative Ruhe.
Generalfeldmarschall v. Bock billigt den Entschluss von Generaloberst Guderian, den Angriff der 2. Panzerarmee einzustellen und den vorspringenden Bogen von Tula hinter den Abschnitt ostwärts Mzensk auf eine kürzere Frontlinie zurückzunehmen.
Nun entbrennt die Winterschlacht vor Moskau, der Verteidigungskampf der Heeresgruppe Mitte: Vor den Toren der sowjetischen Hauptstadt ist nicht nur die "Operation Taifun", sondern auch das "Unternehmen Barbarossa" gescheitert.

 Brief eines Deutschen Landsers